Unser Körper als Tempel

Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst.

(1 Kor 6, 19 – Monatsspruch für Mai)

Unser Körper als Tempel des Heiligen Geistes – das ist für viele ein ungewöhnlicher Gedanke. Begegnet Gott uns nicht eher in Empfindungen unserer Seele oder in Erkenntnissen unseres Geistes? Die leiblichen, körperlichen Dinge – Essen, Trinken, Schlaf, Sport, Sexualität – sind das nicht rein kreatürliche Angelegenheiten, die wir sogar mit den Tieren teilen?

Als Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb, gab es manche, die es für einen bedauerlichen Betriebsunfall der Schöpfung hielten, dass der menschliche Geist und die menschliche Seele in einem so profanen Körper „gefangen“ sind. Kommt nicht von daher immer wieder Versuchung zur Sünde?

Andere wiederum hielten das Leibliche für so unwichtig, dass körperliche Sünden Geist und Seele gar nicht berühren können.

Paulus warnt vor einem ungezügelten Leben – nicht, weil unsere Seele dadurch verunreinigt wird, sondern weil der christliche Glaube auch unseren Körper als Tempel des Heiligen Geistes würdigt. Was an uns „kreatürlich“ ist – also von Gott geschaffen! – ist es wert, geachtet und in Ehren gehalten zu werden. Als im 18. Jahrhundert fromme Christen eine sehr jenseitsbezogene und vergeistigte Frömmigkeit gepflegt haben, hat ihnen der schwäbische Pietist und Theologe Friedrich Christoph Oetinger ins Stammbuch geschrieben: „Das Ziel der Wege Gottes ist Leiblichkeit“, und sich dabei auf das himmlische Jerusalem in Offenbarung 21 bezogen, das in der Bibel ja auch nicht als reiner Geisteszustand beschrieben wird, sondern als lebendige Stadt mit lebendigen Menschen und einem lebendigen Gott.

Gottes heiliger Geist will nicht nur unser „geistliches Leben“ im engeren Sinn formen, sondern auch unser ganz alltägliches, leibliches Leben prägen. Wir gehören nicht uns selbst.

Ihr Matthias Stempfle


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